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Dilli Log #1: Kurswechsel eines Gurus
17 Oct 2021
Seit Montag ist der Lockdown in Delhi aufgehoben. Man hört beinahe, wie alle unter ihrem Mund-Nase-Schutz aufatmen. Letzte Woche hatten sich bereits die ersten Lockerungen angekündigt: Auf dem Bhogal Market hatte ich mit der Auto-Rickshaw schon wieder im ersten Stau mit Gehupe gestanden - dabei war der Markt offiziell noch gar nicht geöffnet. Jedenfalls erwacht die Stadt aus ihrer auferlegten Starre. Die Bilder der erstickenden Corona-Kranken und der qualmenden Verbrennungsstätten verblassen langsam. Die Zeitung am Morgen gleicht keinem atemlosen Albtraum mehr, es ist wieder „business as usual“ eingekehrt: Die Diskussion um den Mangel an Impfstoff hält an. Die Lehren aus der zweiten Corona-Welle werden reflektiert. Und heute musste ich beim Lesen sogar erstaunt auflachen:
Baba Ramdev möchte sich impfen lassen! Und erklärte außerdem, dass Ärzte von Gott auf die Erde entsendet wurden. Wir kennen ja auch in Deutschland das geflügelte Wort „Götter in Weiß“. Aber dass sich ausgerechnet Baba Ramdev zu einer solchen Aussage hinreißen lässt – das ist mehr als überraschend.
Zur Vorgeschichte: Ende Mai geriet der populäre Yoga-Guru in die Schlagzeilen, weil er die Schulmedizin als eine „dumme“ und „mittellose“ Wissenschaft bezeichnete. Er behauptete außerdem, dass während der Pandemie mehr Menschen an ihrer allopathischen Behandlung gestorben seien als an Corona selbst.
Anfang Mai spottete Ramdev in einem Video bereits über Corona-Patienten: „Gott hat das Universum mit Sauerstoff angefüllt. Dann nimm ihn, Dummkopf! Die Menschen suchen draußen nach Gas-Zylindern, dabei hat ihnen Gott zwei davon direkt hier drinnen gegeben. Füllt diese!“ Dabei zeigt er auf seine Brust und nimmt einen hörbaren tiefen Atemzug – so wie es die yogische Atemtechnik Pranayama vorschreibt. Später sagte er in einem Interview gegenüber der Medienfirma Network 18, er habe die Menschen motivieren wollen.
Grundsätzlich besteht kein Zweifel daran, dass Yoga- und Atemübungen den menschlichen Körper und das Immunsystem stärken. Allerdings fällt Yoga-Guru Baba Ramdev häufiger durch provozierende Bemerkungen auf. Beispielsweise behauptete er, Homosexualität sei durch Yoga heilbar. Während der ersten Corona-Welle erklärte er, wer sich Senföl durch die Nase laufen lasse, dem könne das Corona-Virus nichts mehr antun.
Der vermutlich 56-Jährige ist mit Yoga für die Massen bekannt geworden. Zunächst haben die Menschen seine Yoga-Camps besucht und später haben sie zu Hause vor den Bildschirmen an seinen Yoga-Klassen teilgenommen. Über mehrere TV-Sender erreichte er ein Millionenpublikum. Mit seinem Kompanion Balkrishna gründete er 2005 Patanjali, eine Firma für ayurvedische Konsumgüter und verdient damit Milliarden.
Mit seinen Bemerkungen über die Schulmedizin zog Swami Ramdev jedenfalls den Zorn der Indischen Ärztevereinigung (IMA) auf sich. Die IMA kündigte an, wegen Verleumdung gerichtlich gegen den Yoga-Guru vorzugehen. Daraufhin konterte der Patanjali Yogapeeth Trust: Swami Ramdev habe lediglich eine weitergeleitete WhatsApp-Nachricht gelesen und und hege keinen bösen Willen gegen die moderne Medizin. Anfang Juni urteilte das Hohe Gericht von Delhi, dass sich die Aussagen Baba Ramdevs im Rahmen der Meinungsfreiheit bewegten.
Und wenige Tage später beweist der Meister des Yoga, dass seine geistige Beweglichkeit mit seiner körperlichen Flexibilität im Einklang steht und kündigt an, dass er sich gegen Covid-19 impfen lassen werde. Und behauptet außerdem, dass es sich bei Ärzten um göttlich Gesandte handelte. Eine erstaunliche 180 Grad Rückbeuge!
Als Zuschauer fragt man sich, warum Ayurveda und Schulmedizin so oft gegeneinander ausgespielt werden. Anstatt die Stärken und Schwächen beider Ansätze anzuerkennen und die erfolgreichen Behandlungen beider Methoden zu kombinieren. Im besten Falle könnte man die Provokationen des Baba Ramdev als Anregung dazu interpretieren.
Wenn ihr die Dilli Log Reihe als Podcast verfolgen wollt, dann schaut hier!
11.06.2021
Autorin: Antje Stiebitz
Foto Credit: Rishu Bhosale - Unsplash
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