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Der Vishwanath Corridor in Varanasi

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Date15 Jun 2022

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In Deutschland gibt es viele umstrittene Bauprojekte wie Stuttgart 21 oder die Hamburger Elbphilharmonie. Auch in Indien machen in den letzten Jahren große Prestigeprojekte Schlagzeilen, wie das Central Vista Projekt in Neu-Delhi (hier findet Ihr unseren Artikel dazu) oder das als Statue der Einheit bezeichnete kolossale Bildnis des indischen Politikers Vallabhbhai Patel im Bundesstaat Gujarat. Letztere wurde im Oktober 2018 feierlich eingeweiht und ist seither mit 182 Metern die weltweit größte Statue. Das aus Stahlbeton und Bronze gefertigte monumentale Abbild des Unabhängigkeitskämpfers überragt damit New Yorks berühmte Lady Liberty um ein Vielfaches. 

Anhand der Diskussion um die Statue lässt sich der politische Richtungsstreit in Indien erkennen, der darum kreist wie das Land politisch ausgerichtet sein soll. Für Kontroversen haben nicht nur die gewaltige Größe des Bauwerks und die damit einhergehenden Kosten von knapp 30 Milliarden Rupien (ca. 380 Millionen Euro) gesorgt, sondern es stand auch der Vorwurf im Raum, dass mit der Statue für Patel das politische Erbe Mahatma Gandhis als Vater der Nation in den Schatten gestellt werden solle. Für viele Inder und Inderinnen symbolisiert die Statue hingegen ihren Stolz auf die indische Nation und ihre Verehrung für die indischen Unabhängigkeitskämpfer. Außerdem zieht die Statue mittlerweile viele Touristen an und stärkt so die Wirtschaft im Bundesstaat Gujarat.

Lest hier mehr über den indischen Bundesstaat Gujarat im Westen des Landes!

Zum Ende des vergangenen Jahres rückte ein weiteres Großprojekt in den Mittelpunkt der öffentlichen Debatte, als die erste Phase des Vishwanath Corridors in der nordindischen Stadt Varanasi abgeschlossen wurde. Indiens Premierminister Narendra Modi hatte im März 2019 den Grundstein für dieses Prestigeprojekt in der berühmten Pilgerstadt am Ganges gelegt. Auch zweieinhalb Jahre später reiste Modi nach Varanasi, um der feierlichen Eröffnungszeremonie beizuwohnen. Das auf insgesamt 8 Milliarden Rupien (ca. 95 Millionen Euro) veranschlagte Vorhaben soll es den Massen an Pilgerreisenden erleichtern, das Areal um den Jahrhunderte alten Kashi Vishwanath Dham Tempel zu besuchen und ein Bad im heiligen Ganges zu nehmen. Hierfür wurden umfangreiche Baumaßnahmen vorgenommen, um insbesondere die Verbindungswege zwischen dem Tempelkomplex und den Ghats am Flussufer zu verbreitern und zu modernisieren. Als Teil der Umbaumaßnahmen wurde auch eine Reihe an Gebäuden komplett neu errichtet, wie ein Touristenzentrum, ein Museum, eine Aussichtsgalerie sowie ein Food-Court. 

Aufgrund des Umfangs des Projekts sowie der Bedeutung des Ortes als eine der wichtigsten hinduistischen Pilgerstätten ganz Indiens war das mediale Interesse am Vishwanath Corridor schon von Beginn an groß. Es überrascht daher wenig, dass das Projekt von politischen Debatten begleitet wird und dabei nicht nur Lob, sondern auch Kritik geerntet hat. Das durch die sowohl im Bundesstaat Uttar Pradesh als auch auf nationaler Ebene regierende BJP initiierte Projekt umfasst eine Fläche von knapp 50.000 m² und damit ein Vielfaches des ursprünglichen Tempelareals. Daher mussten mehr als 300 Grundstücke erworben und alte Gebäude abgerissen werden. Laut Regierungsangaben wurden in diesem Zusammenhang ca. 1.400 Ladenbesitzer, Hauseigentümer entschädigt. Zudem wurden über 40 altertümliche Tempel entdeckt und restauriert. 

Im Gegensatz zur Darstellung von Regierungsseite bemängeln Kritiker jedoch, dass die Entschädigungen unzureichend seien und dass Jahrtausende altes Kulturgut durch die Bauarbeiten verloren gegangen sei. Auch die Notwendigkeit der Durchführung des Projektes in dieser Größenordnung wird bezweifelt und andere Entwicklungsprojekte werden als dringlicher erachtet. Andere kritische Stimmen sprechen von einer politischen Instrumentalisierung des Projektes und weisen darauf hin, dass Narendra Modis Wahlkreis in Varanasi liegt. Schließlich standen im Frühjahr 2022 die Wahlen zum Landesparlament von Uttar Pradesh an – ein wichtiger Gradmesser für die nationalen Wahlen 2024 und damit von großer Bedeutung für die Regierungspartei BJP. 

Schaut euch hier unseren Artikel zum Bundesstaat Uttar Pradesh an! 

Falls ihr weitere Fragen zu den genannten Projekten habt oder eure eigene Meinung mitteilen möchtet, dann schreibt uns gerne in den Kommentaren oder an [email protected]

Autor: Ferdinand Schlechta

Cover Foto: Ferdinand Schlechta

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